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11.09.2015

„Auf Strecke“ – spielend Fahrgäste gewinnen

Hamburgs Attraktivität und Lebendigkeit und die steigenden Ansprüche an die Qualität urbanen Lebens sind sehr stark an einen leistungsfähigen ÖPNV gekoppelt.
 

Strategische Ausrichtung


Steffen Rothhardt,
Bereichsleiter Busbetrieb,
Hamburger Hochbahn AG
Sichtbar wird, dass sich die Nutzung unterschiedlicher Fortbewegungsmöglichkeiten und deren Kombination stark gewandelt haben. Gerade in Großstädten wie Hamburg bieten steigende Fahrgastzahlen im ÖPNV eine Chance: Der begrenzte Straßenraum wird für das Fließen des notwendigen Wirtschaftsverkehrs gesichert, die Emissionsbelastung und der Flächenverbauch sinken oder steigen zumindest langsamer. Die Hamburger Hochbahn AG steht deswegen als städtisches Unternehmen vor der Herausforderung, die Kundenbedürfnisse und gestiegenen Qualitätsansprüche durch ein ganzheitliches, integriertes
Verkehrsangebot abzudecken. Dazu gehören die räumliche Erschließung, Taktdichten, Reisezeit, Pünktlichkeit, Sauberkeit, Sicherheit und Komfort.


Björn Boike,
Referent
Personalentwicklung,
Hamburger Hochbahn AG
Die HOCHBAHN hat mit ihrer Strategie HOCHBAHN 2030 eine Orientierung für die kurz- bis langfristige Weiterentwicklung des Unternehmens geschaffen, die von den einzelnen Unternehmensbereichen mit konkreten Handlungs- und Managementkonzepten umgesetzt wird. Die Fahrgastzahlensteigerung ist dabei die übergreifende strategische Zielsetzung. Die wesentlichen strategischen Handlungsfelder des operativen Busbetriebs liegen in der kontinuierlichen Verbesserung der Kundenorientierung sowie dem umweltfreundlichen Fahren. Beide Handlungsfelder können unmittelbar durch das Fahrdienstpersonal beeinflusst werden und unterstützen somit auch die persönliche Identifikation jedes Einzelnen als Beitrag zur Gesamtstrategie.


Karin Schweighofer,
Geschäftsführerin,
syn.energy GmbH
Die oberste Priorität zur Strategieumsetzung erhielt die stetige Verbesserung der Kundenorientierung. Wie aber vermittelt man diese Strategie in die Mannschaft? Der
HOCHBAHN-Busbetrieb startete im Januar 2015 mit dem Einsatz eines praxisnahen Planspiels einen innovativen Weiterbildungsansatz.


Ausgangssituation

Bisher wurden die Themen der Kundenorientierung über die Schulungen der Erstausbildung bis hin zur regelmäßigen Qualifizierung der BusfahrerInnen im Rahmen der Berufskraftfahrerqualifizierung (BKrFQG) abgebildet. Ergänzende Seminare wie „Deeskalation“ rundeten diese Maßnahmen ab. Viele Ausbildungsansätze waren dabei stark von der Theorie geprägt. Da Kundenorientierung jedoch neben der fachlichen Kompetenz maßgeblich von Haltung, Auftreten und Kommunikationsfähigkeit abhängt, war schnell klar, dass eine alternative, verhaltensorientiertere Schulungsmethode gefunden werden musste. Aber welche? Wie kann man rund 2.000 Menschen motivieren, ihre Kundenorientierung weiter zu optimieren in einer Zeit, in der die meisten FahrerInnen das Gefühl haben, bereits am Limit zu arbeiten? Hinzu kommt, dass im Busbetrieb der HOCHBAHN Kolleginnen und Kollegen mit unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen Alters arbeiten, die alle ihre eigenen Erfahrungen und Einstellungen zur Kundenorientierung gesammelt und entwickelt haben. Welcher Schulungsansatz kann es schaffen, eine so heterogene Gruppe durchgehend zu motivieren, individuell wertvolle Anregungen für die Praxis mitzugeben und gleichzeitig im Sinne einer Corporate Identity das Gemeinschaftsgefühl zu stärken?

Die Planungsverantwortlichen stellten sich dabei zwei zentrale Fragen: „Wie lernen Erwachsene mit Spaß?“ und „Wie verbinden wir die unterschiedlichen Altersgruppen und Kulturen?“ Die Antwort war so simpel wie auch wissenschaftlich fundiert: Spielerisch!

Konzeption und Umsetzung

In einem interdisziplinären Projekt haben der Busbetrieb, die Personalentwicklung und das Marketing der HOCHBAHN zusammen mit dem Beratungsunternehmen
syn.energy GmbH ein interaktives Brettplanspiel entwickelt: „Auf Strecke – spielerisch Hamburger zu Fans machen“.

Syn.energy arbeitet mit dem Busbereich der HOCHBAHN auch in anderen Personalentwicklungs-Projekten zusammen und besitzt gleichzeitig Expertise in der Konzeption und Umsetzung interaktiver Tools für den Fahrdienst. Eine Spielidee bzw. ein praxiserprobtes Grundgerüst waren somit bereits vorhanden.
In mehreren Workshops wurde erarbeitet, welche Kernkompetenzen der BusfahrerInnen erforderlich sind, um kundenorientiert im Sinne der Strategie HOCHBAHN 2030 agieren zu können. Diese Kompetenzen bilden als Spielrubriken die zentralen Trainingssäulen des Planspiels.
Bei der Titelfindung und optischen Gestaltung des Planspiels war den Verantwortlichen wichtig, gleichzeitig modern aufzutreten, die Strategie zu vermitteln sowie auch
mit „Bodenständigkeit“ und Wiedererkennungseffekten die Identifikation der FahrerInnen zu erreichen.
Mit dem fertigen Planspiel ist dabei eine praxisorientierte Methode entstanden, um:
  • spielerisch und mit viel Spaß die Fahrdienstrealität zu simulieren,
  • eine hohe Identifikation mit dem Unternehmen zu erreichen,
  • praxisnahes Erleben zu ermöglichen und damit einen Perspektivwechsel zu schaffen,
  • in Aktionen kundenorientiertes Verhalten zu trainieren,
  • Raum für individuelle Reflexion zu bieten,
  • klassische Fallsituationen wie zum Beispiel „Umgang mit Beschwerden“, „Unfallsituation“ etc. zu bearbeiten und vielfältige, individuell passende Lösungen zu finden.

Ausgewählte Elemente des Planspiels können zudem in den regelmäßigen BKrFQG-Seminaren angewendet werden. Wiederholung und nachhaltiges Lernen sind damit ebenfalls sichergestellt.

Das Planspiel

An einem Trainingstag sind zehn BusfahrerInnen in Zweierteams um ein 2x3 m großes Spielbrett platziert. Das Spielbrett visualisiert die Betriebshöfe und das gesamte
Bedienungsgebiet der HOCHBAHN.

Ziel des Spiels ist es, möglichst viele Fahrgäste zu sammeln und mit den Kundenorientierungs-Kernkompetenzen zu punkten. Der/Die Fahrer/in würfelt, setzt einen Miniaturbus der Augenzahl entsprechend nach vorn und landet auf einem der Felder „Innovationskompetenz“, „Ökokompetenz“, „Fachkompetenz“, „Wir-Kompetenz“, „Ich-Kompetenz“ oder „Kommunikationskompetenz“. Das Team zieht die entsprechende Feldkarte und die Trainerin liest vor. Beim Thema „Fachkompetenz“ müssen Fragen zu Tarifen, Technik oder zur Streckenkunde beantwortet werden. Für die richtige Antwort vom Team gibt es einen Fahrgast. Auf dem Feld „Ich-Kompetenz“ haben die FahrerInnen die Aufgabe, sich selbst einzuschätzen. Anschließend bekommen sie von der gesamten Gruppe ein Feedback zu ihrer Persönlichkeit im Beruf. Wo ist der Einzelne sehr gut aufgestellt und welche Entwicklungsmöglichkeit bieten sich an? Auf dem Feld „Kommunikationskompetenz“ bearbeiten die BusfahrerInnen im
Bus alltägliche Situationen in Form von Rollenspielen. Da viele der Rollenspieler vorbildliche Lösungen präsentieren, sollen zukünftig ausgewählte Sequenzen als Lernvideos aufgezeichnet und im Nachgang genutzt werden. Ein weiteres Plus für die Nachhaltigkeit!

Und am Ende des Tages erhalten die BusfahrerInnen von ihren KollegInnen ihr ganz persönliches, ressourcenstärkendes Feedback, das auf einer „Ich-bin-Spitze“-Pfefferminzdose festgehalten wird. Damit haben sie auf Strecke einen positiven eindrucksvollen Anker – und das visuell, kinästhetisch und gustatorisch!

Feedback

Die Rückmeldungen der Teilnehmer werden kontinuierlich ausgewertet, um mögliche Verbesserungen abzuleiten. Die Qualitätsoptimierung liegt Steffen Rothhardt, Bereichsleiter Busbetrieb, besonders am Herzen: „Natürlich sollen unsere Fahrerinnen und Fahrer viel Neues mitnehmen. Gleichzeitig sind sie als Teilnehmer des Planspiels aber auch unsere Kunden und sollen so die größtmögliche Qualität und Wertschätzung erfahren.“

Das Feedback der knapp 500 BusfahrerInnen und LeitstellenmitarbeiterInnen, die bisher teilgenommen haben, fällt
jedenfalls außerordentlich positiv aus:
„Ich bin begeistert von dieser Art zu lernen“, „Hier habe ich ganz viel mitgenommen für meine Arbeit auf dem Bus“, „Das ist Motivation pur“, „Durch die Rollenspiele habe ich ganz neue Umgangsformen kennengelernt“, „Die Rückmeldungen der KollegInnen haben mir richtig gut getan“, „Kundenorientierung kann Spaß machen – so geht´s“, Ein Erfolg also auf ganzer Strecke!


Rollenspiel im Bus (Bilder: Hamburger Hochbahn AG).


Nahverkehrs-praxis – Ausgabe 9/10-2015
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